Wahlrechtsausschlüsse werden aufgehoben!
Von Matthias Bartke
Die vergangenen Wochen haben eines eindrucksvoll gezeigt: Die Lebenshilfe ist die wichtigste Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung in Deutschland.
Seit langer Zeit hat die Lebenshilfe für die Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse von Menschen gekämpft, die unter Vollbetreuung stehen. Viele Menschen mit geistiger Behinderung, die die Lebenshilfe betreut, sind davon betroffen.
Auf unseren Druck hin hat die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Wahlrechtsausschlüsse abzuschaffen. Aber als es dann umgesetzt werden sollte, hakte es plötzlich gewaltig.
Bundesverfassungsgericht entscheidet für die Lebenshilfe
Unabhängig von unseren politischen Bestrebungen hatte die Lebenshilfe aber bereits im Jahre 2014 vor dem Bundesverfassungsgericht auf Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse geklagt. Die Mühlen der Gerichte mahlen manchmal zwar sehr langsam, aber sie mahlen gut! Denn am 29. Januar entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Lebenshilfe mit ihrer Klage voll und ganz obsiegt hatte – die Wahlrechtsausschlüsse sind rechtswidrig.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Auffassung der Lebenshilfe damit bestätigt. Niemand hat das Recht, Menschen mit Behinderung das Wahlrecht zu entziehen. Behinderte haben sogar ein sehr ausgeprägtes politisches Bewusstsein und ein klares Verständnis von richtig und falsch.
Ich selbst habe immer wieder festgestellt, dass Behinderte häufig ein viel größeres und elementareres Mitgefühl entfalten können als Nichtbehinderte – das ist mir vor allem bei Diskussionen über Flüchtlinge deutlich geworden. Ich erinnere noch genau, wie mir ein junges Mädchen mit Down-Syndrom sagte: „Den Menschen muss man doch helfen!“ Das Mädchen verfügte über mehr Einfühlungsvermögen als die gesamte AfD-Fraktion im Bundestag.
Der Bundestag hat aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts am 14. März be-schlossen, die Wahlrechtsauschlüsse aufzuheben. In der Bundestagsdebatte dazu haben unsere Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Ulla Schmidt und ich gesprochen und die Entscheidung gefeiert.
Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass die Rechtsänderung nicht bereits zur Europawahl umgesetzt wird sondern erst danach.
Der Weg zur Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung ist steinig
Insgesamt hat sich einmal mehr herausgestellt, dass die Schaffung einer Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderung ein außerordentlich zäher Prozess ist. Der Verfassungsgeber hat die ausdrückliche Gleichberechtigung von Behinderten im Jahre 1994 in den Artikel 3 des Grundgesetzes eingefügt. Aber Verfassung und Lebenswirklichkeit klaffen immer noch weit auseinander.
Die Lebenshilfe hat sich die praktische Umsetzung der Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung zur Aufgabe gemacht. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sie sich dabei auch von Rückschlägen nicht entmutigen lässt. Am Ende hatte sie doch Erfolg – am Ende wird die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung von niemandem aufgehalten werden können!