Trotz Bundesteilhabegesetz (BTHG): nach wie vor sind die Regelungen zum Verbraucherschutz unzureichend. Diese sollten durch einen entsprechenden Ausgleich vor Nichterbringung oder schlechter Leistung auch im Rahmen von Eingliederungshilfe-Leistungen schützen. Selbstbestimmung heißt jedoch, Ansprüche geltend machen zu können, wenn eine unzureichende Leistung erbracht worden ist.

Wie erklärt sich der unzureichende Verbraucherschutz in der Eingliederungshilfe?

Rechtliche Regelungen und damit der Gesetzgeber gehen von mündigen Bürgerinnen und Bürgern aus, die – unabhängig von einer möglicherweise vorliegenden Behinderung – vernünftig, für sich selbst verantwortlich und zu eigenen Urteilen fähig sind. Dahingegen ist in der Sozialen Arbeit traditionell das Bild des Hilfe-Empfangenden/Beschenkten verbreitet gewesen – ein Rechtsanspruch gegenüber einem Leistungserbringer spielte gar keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle. Bis heute bestehen in den rechtlichen Regelungen Unsicherheiten bezüglich möglicher Ansprüche von Klienten bzw. der Qualität von Ansprüchen.

Mit der zunehmenden ‚Verpreisung‘ von Dienstleistungen im Rahmen der Sozialen Arbeit ist auch für Leistungen der Eingliederungshilfe ein Markt mit typisch marktwirtschaftlichen Elementen entstanden: Leistungsanbieter/-erbringer und Kunden/Leistungsempfänger sowie Rechte und Pflichten für beide Seiten. Jedoch ist der Markt geprägt von einer wesentlichen Besonderheit: Menschen mit entsprechendem Hilfebedarf haben einen (rechtlichen) Anspruch auf eine öffentlich garantierte Sozialleistung, so dass die ‚Bezahlung‘ der erbrachten Leistungen durch den (Sozial-)Staat erfolgt. Das ergibt im Rahmen der Eingliederungshilfe-Leistungen insbesondere auch für Bezieher von Grundsicherung das so genannte (sozialrechtliche) Leistungsdreieck.

Was ist Grundlage der Leistungserbringung durch gemeinnützige oder gewerbliche Anbieter?

Das folgende Schema des Leistungsdreiecks zeigt die rechtlichen Grundlagen sowie den Geld- bzw. Leistungsfluss im Rahmen der Eingliederungshilfe-Leistungen:

Grafik: Leistungsdreieck der Eingliederungshilfe inklusive rechtlicher Grundlagen sowie der Geld- bzw. Leistungsflüsse zwischen Kostenträger, Leistungserbringer und Klient

Zwischen Leistungserbringer und Betreutem werden heute regelmäßig Dienstleistungs-verträge geschlossen. Meist wird die betroffene Leistung allerdings nicht individuell ausgehandelt, sondern basiert auf vorgegebenen Regelungen und Absprachen wie zum Beispiel den Leistungsvereinbarungen des Trägers mit dem Kostenträger oder Hilfe- und Teilhabeplanungen. Es ist davon auszugehen, dass dies zukünftig weiter zunehmen wird. Auf diese Weise gewinnen Ansprüche bei Nichterfüllung des Vertrags (so genannte Sekundäransprüche) und damit die Rolle des Verbraucherschutz‘ zunehmend an Bedeutung.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind die grundlegenden Rechte und Pflichten niedergelegt, nach denen Verträge zwischen den Beteiligten zu erfüllen sind. Kommt es zum Schlecht- oder Nichterbringen einer Leistung, so kann die Person, die einen Anspruch auf die (vertraglich fixierte) Leistung hatte, Ersatz für den Schaden verlangen, der ihr aus der Verletzung der Verpflichtung des Verkäufers/Leistungserbringers im Rahmen der Leistungserbringung entstanden ist. Im Fall von Eingliederungshilfe-Leistungen scheint dies ausgehebelt.

Welche Auswirkungen hat eine Nichterfüllung der Leistung bzw. eine Störung in der Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe?

Im Fall von Eingliederungshilfe-Leistungen ist die Durchsetzung von Ansprüchen regelmäßig aus zwei Gründen problematisch:

  1. Eine versäumte Leistungserbringung kann in der Regel nicht nachgeholt werden, da ein Hilfebedarf in der Vergangenheit nicht nachträglich gedeckt werden kann.
  2. Bezieher von Leistungen zur Grundsicherung haben kein Interesse an der Erzielung von Einnahmen und damit an einer finanziellen Entschädigung bei Nichterfüllen von Verträgen.

Aus diesem Grund zeigen Leistungsempfänger möglicherweise entstandene Ansprüche aufgrund einer Pflichtverletzung von Leistungsanbietern regelmäßig nicht auf. Auch öffentliche Stellen, die als Kostenträger an einer Minderung bzw. Kostenerstattung ein Interesse haben könnten, nehmen diese Ansprüche regelhaft nicht wahr – insbesondere im Fall von Schlechterfüllung sind sie häufig nicht informiert.

Was bedeutet dies im Hinblick auf den Verbraucherschutz im Rahmen von Eingliederungshilfe-Leistungen?

So besteht ein unzureichender Schutz des Verbrauchers/Leistungsempfängers und Kostenträgers im Fall von Nicht- oder Schlechterfüllung einer Eingliederungshilfe-Leistung. Dies ist weder im Sinne von Menschen, die auf diese Leistungen insbesondere im Hinblick auf deren Qualität angewiesen sind, noch der öffentlichen Hand als Kostenträger der Leistung.

Ein Schutz des Verbrauchers bei der Erbringung von Eingliederungshilfe-Leistungen ist auch unter den bestehenden rechtlichen Normen schwierig, da diese auf einer typischen Marktsituation basieren, die üblicherweise keine Trennung von Leistungsempfänger/Kunde/ Verbraucher und Zahlungspflichtigem/Kostenträger vorsieht. So bleiben Fragen offen wie:

  • Sind Bezieher von Eingliederungshilfe-Leistungen unter Berücksichtigung des oben dargestellten Leistungsdreiecks Verbraucher im Sinne dieser Normen?
  • Sind Eingliederungshilfe-Leistungen und ihre Ergebnisse marktübliche Dienstleistungen bzw. wie sind diese rechtlich zu betrachten und was bedeutet dies dann jeweils für die Nutzer dieser Dienstleistung bzw. den Kostenträger?
  • Wie sind die damit verbundenen Dienstleistungsverträge rechtlich einzuordnen?

Welche Möglichkeiten zur Stärkung des Verbraucherschutzes gibt es?

Traditionell unterstützen Verbraucherschutzzentralen Verbraucher bei der Durchsetzung von Rechten – doch obwohl im Rahmen von Eingliederungshilfe-Leistungen regelmäßig von einer schwachen Marktposition des Leistungsempfängers gegenüber dem Leistungs-anbieter ausgegangen werden kann, sind diese in der Vergangenheit in solchen Fällen nicht aktiv geworden. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dies in naher Zukunft ändert.

Damit obliegt der Aufbau an Strukturen zum Schutz der Verbraucher/Leistungsempfänger bei den Leistungsanbietern selbst. Dazu gehört die Bereitschaft, neue Ansätze für Entschädigungen im Fall von nicht oder unzureichend erbrachter Leistungen zu entwickeln sowie ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem zur Sicherung und Verbesserung der Leistungsqualität (Beschwerdemanagement etc.) aufzubauen.

Was konkret macht die Lebenshilfe Hamburg in Sachen Verbraucherschutz?

Die Lebenshilfe Hamburg hat mit zwei Partnern darüber hinaus mit ihrer kostenlosen Rechtsberatung einen weiteren Baustein zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in der Eingliederungshilfe aufgebaut: auf diese Weise unterstützt sie Menschen mit Behinderung dabei, ihre Rechte im Bereich Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen.

Ulrike Stüve
Verbands- und Öffentlichkeitsarbeit
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